Nachwort:
Es ist ungewöhnlich, Reproduktionen bereits vorhandener Arbeiten in Form einer Mappe herauszugeben.
Gewohnt ist man hingegen, dass ein bildender Künstler sich mittels seiner Arbeiten möglichst ständig, möglichst aktuell präsentiert. Sei es in Form einer Grafikmappe, sei es in Form einer Ausstellung.
Ungewöhnlich ist es, dass dies, wie im Falle von R.W., nicht geschieht.
Ungewöhnlich ist es, dass ein Künstler zu „neuen Ufern“ aufbricht und nur den Kundigen die „alten Ufer“ erkennbar sind.
Gewohnt ist man hingegen, eine kontinuierliche Entwicklung zu sehen – auch, weil diese gesehen werden will.
Daß „Ungewöhnliches“ bei R.W. scheinbar zur Regel geworden ist, hat sowohl subjektive als auch objektive Gründe. Die Reihenfolge ist umkehrbar.
Die objektiven Gründe sind auszuklammern, weil sie sich bei näherer Erörterung entziehen müssen und für das Werk und die Arbeit von untergeordneter bis nebensächlicher Bedeutung sind.
Interessanter aber sind die subjektiven Gründe, zeigen sie doch u.a. den Willen zur Aussage, der sich der Oberfläche und flinker Manier versagt und den Betrachter – will er dem folgen – zwingt, die Bahn gewohnten Denkens zu verlassen. Nicht um sich – Ikarus ähnlich – zu angenommenen Höhen des Geistes emporschwingen zu müssen, um nur so zur Erkenntnis zu gelangen.
Im Gegenteil: Die bei R.W. vorhandene extreme Reduzierung bewirkt, den Blick auf den Ursprung zu richten.
Dem dient zugleich das „Zeichen - hafte“ der Darstellung, das in diesen Skizzen, ihrem ursprünglichen Impetus entsprechend, nahezu den Charakter von Formeln erhält und somit zum Signal wird. Anregungen dazu kamen – nach längeren Phasen von an den „alten Meistern“ und der älteren Moderne geschulter Malerei - aus Disziplinen der Wissenschaft, denen sich R.W. in seinem Erkenntnisdrang zuwandte und die in der Folge einen damals nur andeutungsweise geahnten Einfluss auf fast alle Bereiche gesellschaftlicher Erkenntnis und Produktion nahmen: Informationstheorie und Kybernetik.
In kongenialer Weise entstand eine Synthese zwischen bildender Kunst und den Erkenntnissen dieser Wissenschaften: Zustandsverdeutlichung der Beziehungen von Menschen untereinander und des möglichen Verhaltens einzelner; in einer Weise abstrahiert, dass für viele der Realitätsbezug sich üblichem Verständnis entzog.
Der bedauerliche Zustand, daß bildende Kunst meist in der Singularität des Werkes erscheint sowie die daraus resultierende Perversion, die solches Werk zum Besitz einzelner macht, erschwert allgemeinen Zugang und führt bestenfalls zu historisierender Betrachtung, die den Gegenwartsbezug verhindert.
So erschien es legitim, einige mir zugänglichen Skizzen dieser Singularität zu entziehen und zu versuchen, sie einem grösseren Kreis zugänglich zu machen. Leider mit einer Verzögerung von 10 Jahren.
Bewußt sollten es deshalb nur Reproduktionen sein, auch, um möglichen Vorurteilen entgegenzutreten. Sie überschreiten jedoch absichtlich das gesellschaftliche Niveau gebräuchlicher Reproduktionen, um eine emotionale Beziehung zum Abgebildeten zu intensivieren.
Die Auswahl gerade dieser Skizzen gründet nicht in einer bevorzugten subjektiven Bewertung der in diesem Zeitraum entstandenen Arbeiten, sondern in ihrer Reproduktionsfähigkeit, die u.a. durch inhaltliche Klarheit möglich wurde.
Daß R.W. sich entschloß, die Skizzen auf dem Film zu überarbeiten, zeigt die weiterbestehende Aktualität, aber auch den „roten Faden“, der sich durch das Werk R.W.`s zieht und es ermöglicht, Brücken zwischen den verlassenen und den neu gewählten Ufern zu schlagen.
Diese Überarbeitung ist jedoch z.T.ebenso durch die gewählte Reproduktionstechnik und eine geringfügige Vergrößerung gegenüber dem Original mitbedingt.
Daß sich dadurch das Ergebnis vom ursprünglichen Zweck seiner Reproduktion qualitativ abhebt, ist angenehmes Nebenprodukt, obgleich der Intention des Herausgebers insofern entgegenstehend, als möglicherweise nicht der Inhalt das Interesse auslöst, sondern eine mögliche Haltung des Interessenten: „Kunst R.W.´s zu „besitzen“.
In einem solchen Fall wäre das Ziel des Herausgebers verfehlt, und die aus der kollektiven Leistung der Beteiligten (Künstler, Drucker, Herausgeber) resultierende Erwartung bliebe unbefriedigt.
Berlin-DDR, im September 1979 J.S. (Jürgen Schweinrbraden)
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